Nachdem sich unsere Gäste nach tollen dreieinhalb Wochen wieder auf die Heimreise in die Schweiz machten, begann für uns zwei der Countdown zu laufen. Der 22. Januar 2014 war schon lange dick in unserer Agenda eingetragen, einer der wenigen wichtigen Termine, die wir momentan noch haben :-) Spätestens dann mussten wir nämlich die USA verlassen, da das 6-monatige Visum abläuft. So blieben uns also noch ziemlich genau zwei Wochen, um uns intensiv auf Mexiko vorzubereiten und in den Staaten noch alles Wichtige zu erledigen. Unsere To-do-Liste war lang, sehr lang...
In Acton, einer kleinen Ortschaft nördlich von Los Angeles, fanden wir eher zufällig einen Campingplatz, der für unser Vorhaben bestens geeignet war. Genügend Platz, gut funktionierendes WiFi, keine Shops in der Nähe (= keine Ablenkungsgefahr) und ein Whirlpool zur Erholung nach getaner Arbeit. So quartierten wir uns da gleich für eine Woche ein und das zu einem unschlagbaren Wochentarif für kalifornische Verhältnisse, natürlich nach ein bisschen Verhandeln. Eine Woche lang haben wir jeden Tag damit verbracht, unsere To-do-Liste kleiner werden zu lassen. Unsere eingelagerten Sachen beim Storage wieder abholen, Truck und Camper komplett ausmisten und reinigen und Auto-Batterien wechseln lassen waren nur ein paar Punkte dieser Liste. Zudem verbrachten wir wirklich Stunden damit, alle möglichen Informationen zu Mexiko aus dem Internet herauszupressen.
Nach dieser Woche fuhren wir ins nahe gelegene Santa Clarita und liessen dort die Bremsen unseres Trucks neu machen. Wir wussten, dass diese bald das Ende ihrer Laufbahn erreichen würden und wollten dies noch unbedingt in den USA erledigt haben - Sicherheit geht vor. Die Wartezeit überbrückten wir im Kundenraum der Garage mit gutem WiFi und gerade in dem Moment kontaktierten uns Barbara und Walter per Mail. Mitte November 2013 hatten wir die zwei Luzerner in Bishop zum ersten Mal getroffen und alle würden sich über ein Wiedersehen freuen. Da wir uns für amerikanische Verhältnisse sozusagen um die Ecke befanden, verabredeten wir uns spontan für ein Treffen abends in Malibu. Schliesslich landeten wir auf dem Point Mugu State Park und verbrachten dort eine wirklich tolle Zeit zusammen. Wir genossen die Gespräche und gemeinsamen Morgen- und Abendessen sehr. Nach zwei Tagen hiess es dann Abschied nehmen, Barbara und Walter fuhren in nördliche, wir in südliche Richtung davon. Doch wer weiss... wenn wir irgendeinmal wieder zu Hause sind, ist Luzern auch um die Ecke :-)
Weitere drei "Arbeitstage" verbrachten wir in Anaheim, wo nun wirklich allerletzte Abklärungen und Vorbereitungen für Mexiko gemacht wurden. So schlossen wir auf dem Weg dorthin noch die obligatorische Haftpflichtversicherung für Mexiko ab, bestückten unser Navi mit Kartenmaterial für Mittelamerika, erstellten eine komplette Inventarliste sämtlicher sich im Auto und Camper befindlichen Gegenstände (puh, haben wir soviel dabei?!), kauften Dinge ein, die wir nachher nicht mehr oder nur noch mit grossem Aufwand erhalten und erstellten von allen wichtigen Dokumenten noch einmal Kopien. Die letzte Nacht in den USA verbrachten wir auf dem Potrero County Park, nur noch 10 km von Tecate, der mexikanischen Grenze entfernt. Quasi als Einstimmung bereiteten wir an diesem Abend Enchiladas zu, irgendwie mussten wir ja unser Gemüse noch loswerden und so landete kurzerhand alles in den Tortillas :-)
Am 21. Januar 2014 war es dann soweit und wir steuerten die amerikanisch-mexikanische Grenze in Tecate an. Sämtliche im Vorfeld ausgedachten Szenarien blieben aus und der Grenzübergang war absolut kein Problem. Wer interessiert ist und mehr darüber erfahren möchte, klickt hier.
Bereits von der Grenze aus konnten wir sehen, dass uns in Mexiko eine andere Welt erwartet. Nicht nur das Erscheinungsbild der Stadt war komplett anders als wir es die letzten Monate gewohnt waren, auch die Strassen, der Verkehr, die Geschäfte, die Leute, einfach alles sah quasi vom einen auf den anderen Kilometer ganz anders aus. Zugegebenermassen war uns etwas mulmig zumute, hatten wir doch im Vorfeld so viel Negatives über Mexiko und insbesondere über die Grenzregion (illegale Einwanderer, Drogen, usw.) gehört. Jeder Amerikaner, dem wir von unseren Plänen erzählt hatten, hatte uns dringend davon abgeraten, auch nur einen Fuss in die Nähe von Mexiko zu setzen. Dies immer und immer wieder zu hören, kann mit der Zeit doch für leichte Verunsicherung sorgen. So liessen wir die ersten Eindrücke auf uns wirken, waren "auf der Hut" und rechneten wohl irgendwie ständig damit, plötzlich angehalten, überfallen, gekidnappt oder sonst was zu werden. Vor lauter Anspannung vergassen wir fast, erste Fotos von Mexiko zu machen. Glücklicherweise geschah nichts derartiges und wir erreichten unser erstes Ziel, Ensenada, heil und erleichtert. Also besorgten wir uns da gleich einmal mexikanische Pesos, der erste Schritt Richtung "Integration" :-)
Danach fuhren wir direkt einen Campingplatz etwas weiter südlich an, den wir im Vorfeld bereits herausgesucht hatten. Der Betreiber des Platzes war bei unserer Ankunft nicht zu Hause und so übernahm ein anderer Gast, Gary aus Kalifornien, die Begrüssung und erteilte uns alle relevanten Informationen zum Platz. Wir waren froh, dort angekommen zu sein und nach einem Mittagessen mal die letzten Stunden Revue passieren lassen zu können. Gary war uns von Anfang an sehr sympathisch und sollte sich später als echter Glücksfall herausstellen. Bereits bei unserem kurzen Gespräch bei der Ankunft meinte er, wir sollten uns bei ihm melden, wenn wir Fragen hätten. Er würde uns gerne ein paar Tipps zur Baja California geben. So griff sich Angi am nächsten Tag die Strassenkarte und machte sich mit Block und Stift auf den Weg zu Gary. Dieser war sichtlich erfreut und so sassen wir kurze Zeit später an unserem Tisch im Camper, die Karte ausgebreitet und Gary legte los. Zu jedem Ort auf der Baja wusste er etwas zu erzählen, hatte Tipps auf Lager, teilte uns seine Erfahrungen mit und gab uns viele sehr nützliche Informationen zu Land und Leuten. Gary war wirklich in jeder Hinsicht Gold wert! Auch unsere grosse Unsicherheit konnte er uns nehmen und riet uns, diese schöne Halbinsel einfach zu geniessen und den freundlichen Leuten mit einem Lachen zu begegnen. Gary hat uns echt geholfen, uns hier schneller wohl zu fühlen, zurechtzufinden und einzuleben. THANK YOU GARY!
Nach zwei Nächten auf dem Campingplatz von Alfredo zog es uns weiter. Wir nahmen die Strecke nach San Quintín in Angriff und lernten gleich einmal die teilweise saumässig schlechten Strassen kennen. Teile davon wurden neu gemacht und so reihte sich Baustelle an Baustelle, welche immer auf Holperpisten umfahren werden mussten. Zum Glück hatten wir uns nur eine kurze Tagesetappe vorgenommen, denn wirklich schnell kamen wir nicht vorwärts. Südlich von San Quintín fuhren wir einen Campingplatz an und waren, abgesehen von ein paar Hunden, weit und breit die einzigen. Auch das Wetter liess etwas zu wünschen übrig und so fuhren wir am nächsten Tag direkt weiter nach Cataviña.
Kaum losgefahren, standen wir allerdings auch schon wieder. Weshalb der gesamte Verkehr zum Erliegen kam, wissen wir bis heute nicht so genau. Ein paar Mexikaner meinten, es gäbe da ein Problem mit einem Lastwagen. Jedenfalls schien dies absolut nichts aussergewöhnliches zu sein und so warteten alle geduldig, bis es irgendwann weiterging. Überhaupt muss man sich an den Strassenverkehr hier zuerst gewöhnen... die Strassen sind meist relativ eng, Pannenstreifen gibt es nicht und alle fahren ziemlich zügig. Geschwindigkeitsbegrenzungen, Sicherheitslinien und Überholverbote existieren zwar, doch werden diese sowohl von den Mexikanern als auch von den vielen Amerikanern als gut gemeinter Vorschlag taxiert und bei weitem überboten bzw. missachtet. So haben wir schon manches haarsträubende Überholmanöver gesehen und auch einen ganzen Lastwagen mitsamt Ladung im Graben liegen sehen. Auch tote Tiere (Hund, Esel, Kuh, etc.) sieht man häufig am Strassenrand liegen. Traurig sind auch die auffällig vielen Kreuze und kleinen Kapellen am Strassenrand, vielfach in scharfen Kurven. So sind vorsichtiges Fahren und kurze Tagesetappen angesagt, nachts fahren wir überhaupt nicht. Nach dem ersten mexikanischen Stau erreichten wir aber dennoch Cataviña und befanden uns somit auch im "Parque Natural del Desierto Central". Dieser erwartet seine Besucher mit riesigen Felsbrocken und unzähligen, meterhohen Kakteen. Ein richtiges Paradies für Kakteen-Fans!
Nach einer Übernachtung bei der Rancho Santa Inés (wir waren wieder die einzigen...), fuhren wir weiter durch den wirklich tollen Naturpark nach Bahía de los Ángeles und waren damit zum ersten Mal auf der Ostseite der Halbinsel. In der Bucht sollen Delfine und Blauwale leben, gesehen haben wir leider weder noch.
Unser nächstes Ziel war Guerrero Negro, die Stadt, welche ihren Namen einem Walfangschiff verdankt (guerrero negro = schwarzer Krieger). Dazu mussten wir die Grenze vom Bundesstaat Baja California zu Baja California Sur passieren. Bei der Anfahrt sieht das zwar alles wahnsinnig wuchtig aus, ohne Übertreibung sah diese Grenze zwischen zwei Bundesstaaten mehr nach Grenze aus als die amerikanisch-mexikanische in Tecate! Wir wurden angehalten, ganz kurz nach unserer Herkunft, unseren Plänen und unserem Früchtevorrat befragt, um 20 Pesos (~ Fr. 1.35) für die "Fahrzeug-Desinfektion" erleichtert und schon durften wir über die Unterbodendusche fahren. Unser Gefühl, dass die "Desinfektion" nur für die Touristen gilt, nur aus gewöhnlichem Wasser besteht und eine willkommene Einnahme an der Grenze darstellt, bleibt bestehen ;-)
Zwischen Meersalzgewinnungsbecken hindurch fuhren wir direkt an die Laguna Ojo de Liebre, bekannt als einer der besten Orte zur Walbeobachtung auf der Baja California. Zwischen Januar bis März kommen die Grauwale aus Alaska und Kanada in diese Lagune, um ihre Jungen zu gebären und sich zu paaren. Klar, dass wir uns dies nicht entgehen lassen wollten, wenn wir schon zur richtigen Zeit am richtigen Ort waren. So kauften wir uns Tickets, fassten Schwimmwesten und schon ging es mit einem kleinen Boot ab aufs Wasser. Bereits vom Land aus konnte man die Tiere sehen, doch vom Boot aus sah man die gewaltigen Grauwale natürlich noch viel besser. Tatsächlich hatte fast jede Kuh ihr Baby dabei, wobei Baby bei 5 Metern Länge und 500 kg Gewicht bei der Geburt doch etwas komisch tönt... :-) Es war unser zweites Whale Watching auf dieser Reise, doch was wir hier sahen, war einfach wieder unbeschreiblich. Diese grossen Tiere so nah zu sehen ist einfach toll! Zudem gesellten sich auch ein paar Delfine zu den Walen und sorgten ebenfalls für Wirbel auf dem Boot.
Nach der Walbeobachtungstour fuhren wir über die Holperpiste zurück und verbrachten eine Nacht in der Stadt Guerrero Negro. Unserer Meinung nach hat dieser Ort sonst nicht viel zu bieten und so zog es uns am nächsten Tag wieder weiter.
Die Fahrt führte uns über Vizcaíno, San Ignacio und Santa Rosalía nach Mulegé, wo wir uns auf dem Campingplatz Villa Maria Isabel einrichteten. Diesen hatte uns Gary wärmstens empfohlen. Da der Campingplatz etwas ausserhalb des Dorfes Mulegé liegt, packten wir erstmals auf mexikanischem Boden unsere Fahrräder aus und radelten los. Mulegé ist ein kleines, herziges Dorf, welches man aber bald gesehen hat. Unsere Klapp-Fahrräder sorgten nicht nur bei den Einheimischen für erstaunte und neugierige Blicke :-)
Nach zwei Tagen verabschiedeten wir uns von Mulegé und fuhren ein paar Kilometer weiter südlich. In der Bahía Concepción reiht sich ein schöner Strand an den nächsten. Man hat hier wirklich die Qual der Wahl, wir haben uns schliesslich für den Playa El Coyote entschieden und standen da fast vier Tage direkt am Meer. Innert kürzester Zeit kannten wir sämtliche Snowbirds um uns herum. Als Snowbirds werden die Kanadier und Amerikaner bezeichnet, welche den Winter in wärmeren Gebieten verbringen. Meist sind es also Rentner, die der Kälte und dem Schnee entfliehen und mit ihren riesigen Wohnmobilen die Wärme suchen. Dort lernten wir auch Reto und Britt kennen, ein Schweizer und eine Schwedin, die schon seit Jahren in Kanada leben. Sofort boten sie uns an, mit ihren Seekajaks einen kleinen Ausflug zu machen. Das liessen wir uns natürlich nicht zweimal sagen, paddelten los und umrundeten so die kleineren und grösseren Inseln. Dank dem glasklaren Wasser bekamen wir tatsächlich auch die gefürchteten Stachelrochen zu Gesicht, zum Glück aus sicherer Distanz im Kajak. Wir genossen den super schönen Strand, führten viele Gespräche mit den Snowbirds, wimmelten allerlei Verkäufer ab, bastelten Muschelkettchen und sahen zu, wie neben uns zwei neue Palapas (Schattendächer aus Palmenblättern) errichtet wurden, natürlich mit mexikanischer Gelassenheit.
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GABI (Samstag, 15 Februar 2014 17:14)
Hallo, Ihr Zwei, wieder mal danke für Euren tollen Bericht und die schönen Fotos. Über die USA können wir nicht mitreden, aber in Mexico waren wir schon. Mit Campingplätzen haben wir nun keine Erfahrung - bei uns war es ein alter "VW-Käfer", der uns durch das Land geschippert hat. Im Grunde sind die Menschen dort ganz lieb und hilfsbereit, allerdings muss man schon "auf der Hut sein", dass die Hilfsbereitschaft nicht falsch verstanden wird und/oder zu weit geht. Die Bedenken, die Ihr von vielen Leuten gehört habt, sind sicher nicht sooo falsch, zumal Ihr mit einem Wohnmobil unterwegs seid. Für unseren alten Käfer hat sich damals eigentlich niemand interessiert. Wir würden heutzutage nicht mehr mit so einem Wohnmobil in Ri. Mittel-Amerika fahren - es passiert eben auch viel - die Kriminalität darf man nicht unterschätzen. An Schmutz und Chaos werdet Ihr Euch schnell gewöhnen - so clean wie in USA wird es sicher nicht mehr. (Zur Vorsicht hat man ja auch Euer Auto desinfiziert.....) Ausserdem hassen sich die Amis und die Mexikaner!!! Ich würde mir beim nächsten Einkauf ein paar Päckchen Desinfektionstücher kaufen - sicher braucht Ihr früher oder später mal eine öffentl. Toilette - oh jeeh...... Aber wie auch immer - es ist irgendwie ein tolles Land, und Ihr seid ja erst ganz am Anfang. Lasst nur Euren Truck nicht un-beaufsichtigt stehen - Eure Reise könnte sonst schnell zu Ende gehen. Wir sind ein wenig neidisch über die Sichtung der Wale mit ihren Jungen - uns haben sich nur Delphine gezeigt.
Wir wünschen Euch noch eine erlebnisreiche Zeit und freuen uns schon wieder auf Euren nächsten Newsletter. Viele Grüsse und viel Glück - GABI+WULF